Wie Biosimilars die Märkte durchdringen
Bei biopharmazeutischen Wirkstoffen mit Biosimilar-Konkurrenz haben Biosimilars im Durchschnitt einen Versorgungsanteil von 71 Prozent.

Die Verbände der pharmazeutischen und biotechnologischen Industrie sprechen sich gegen die automatische Substitution von Biopharmazeutika aus, die in Apotheken für die parenterale Verabreichung zubereitet werden. Ihre gemeinsame Position erläutern der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH), der Verband der Biotechnologie-Industrie BIO Deutschland, der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI), die AG Pro Biosimilars sowie der Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller (vfa) in einem Addendum zu einem im Februar 2022 veröffentlichen Positionspapier.
Auch wenn parenterale Zubereitungen direkt zur ärztlichen Anwendung vorgesehen sind, ist die automatische Substitution von Biopharmazeutika in diesen Fällen nicht zu empfehlen. Diese Arzneimittel kommen bei der Behandlung von chronischen und onkologischen Erkrankungen zum Einsatz, daher bedarf es gerade bei dieser Patientengruppe einer besonderen Sensibilität. Patientensicherheit muss grundsätzlich an erster Stelle stehen. Sollten Apotheken vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G‑BA) dazu verpflichtet werden, ärztlich verordnete parenterale Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln auszutauschen, gefährdet das die Patientensicherheit und Versorgung ohne zusätzliche wirtschaftliche Reserven für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) zu heben. Diese Änderung wird keine Hebung weiterer Einsparungspotentiale im Biopharmazeutika-Sektor bewirken können. Denn der Wettbewerb ist auch hier bereits im vollen Gange. Im speziellen Fall der parenteralen Biopharmazeutika-Zubereitungen zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung wirkt zusätzlich die Dynamik der Hilfstaxe kostendämpfend.
Die Verbände der pharmazeutischen und biotechnologischen Industrie appellieren daher an den Gesetzgeber, von einem Substitutionsgebot auf Ebene der Apotheken gänzlich Abstand zu nehmen.
Wie in der Anhörung der Verbände am 6. März 2023 deutlich wurde, besteht weiterhin ein breiter Konsens auf Seiten der Patientenvertretung, Ärzte- und Apothekerschaft sowie Industrie darüber, dass die automatische Substitution von Biopharmazeutika auch in parenteralen Zubereitungen abzulehnen ist. Vor diesem Hintergrund sind die von BAH, BIO Deutschland, BPI, AG Pro Biosimilars und vfa formulierten fünf guten Gründe gegen die automatische Substitution von Biopharmazeutika weiterhin von großer Aktualität.
Was spricht gegen den Austausch von biotechnologisch hergestellten biologischen Arzneimitteln durch Apotheken bei parenteralen Zubereitungen zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung? Die Antworten finden Sie in diesem Positionspapier und im Addendum. Und in diesem Film erklären wir, warum die automatische Substitution von Biopharmazeutika ein schwerer politischer Fehler ist:
Ihre Ansprechpartner:
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T. 030 | 816 16 09 — 0
steinbach@progenerika.de
Dr. Armin Edalat
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BAH – Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V.
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edalat@bah-bonn.de
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BIO Deutschland e. V.
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10117 Berlin
T. 030 | 233 21 64 — 32
M. 0151 | 140 673 26
englbrecht@biodeutschland.org
Andreas Aumann
Pressesprecher / Geschäftsfeldleiter Kommunikation / Mitglied der Geschäftsführung (Kommunikation)
BPI – Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V.
Friedrichstr. 148
10117 Berlin
T. 030 | 279 09 — 123
M. 0176 | 10 06 21 14
aaumann@bpi.de
Dr. Jochen Stemmler
Stellv. Redaktionsleiter / Pressesprecher „Politik“
vfa — Verband forschender Arzneimittelhersteller
Hausvogteiplatz 13
10117 Berlin
T. 030 | 206 04 — 203
j.stemmler@vfa.de
16.03.2023
Seit der Erhöhung der sogenannten Hilfstaxe zum 1. September 2022 müssen Biosimilar-Unternehmen den Apotheken für ihre Biosimilars, die in parenteralen Zubereitungen z. B. bei der Behandlung von Krebspatient:innen verwendet werden, bis zu 67,5 Prozent Rabatt gewähren. Daraus ergeben sich hochgerechnet Einsparungen von 515 Millionen Euro pro Jahr, die Biosimilars allein im ambulanten Bereich generieren werden. Bevor die neue Regelung in Kraft trat, sparten Biosimilars gut 135 Millionen Euro jährlich ein.
Download: Grafik des Monats Januar 2023
Der gemeinsame Bundesausschuss (G‑BA) hat heute das Stellungnahmeverfahren von biotechnologisch hergestellten biologischen Fertigarzneimitteln durch Apotheken bei parenteralen Zubereitungen zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung eingeleitet. Das bedeutet: Ab jetzt arbeitet er an einer Regelung, nach der Apotheken verpflichtet sind, verordnete biotechnologisch hergestellte Arzneimittel auszutauschen, wenn es sich um parenterale Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patient:innen handelt – ganz wie bei Generika also.
Nachdem das Bundesgesundheitsministerium die automatische Substitution im vergangenen Sommer wegen massiver Bedenken von Ärzte‑, Patienten- und Apothekerschaft sowie vonseiten der Industrie verschoben hat, nimmt der G‑BA nun wie angekündigt das Verfahren wieder auf. Damit aber wird eine Entwicklung eingeleitet, deren Folgen wir gerade in diesen Zeiten überdeutlich sehen. Die aktuellen Lieferengpässe bei Generika sind die Konsequenz aus ebendieser Austauschbarkeit, die für Generika schon lange gilt – und die für die Versorgung der Patient:innen fatale Folgen hat. Denn sie hat den Druck auf Preise und Herstellkosten derart erhöht, dass teilweise Brustkrebsmedikamente in Deutschland nicht mehr verfügbar waren.
Dazu Walter Röhrer, Vorsitzender der AG Pro Biosimilars: „Der G‑BA hat das Verfahren wieder aufgenommen, weil er den gesetzlichen Auftrag dazu hat. Jetzt muss die Politik gegensteuern. Wir sind unverändert gegen die Substitution von Biopharmazeutika in der Apotheke. Und die instabile Versorgungslage, die wir derzeit bei Generika sehen, sollte allen ein Warnzeichen sein. Denn: Die automatische Substitution bei Biopharmazeutika bedeutet, den Generika-Fehler ein zweites Mal zu machen.“
Zumal ein automatischer Austausch auch gar nicht nötig ist. Auch ohne ihn sehen wir massive Einsparungen: Im Bereich der in der Apotheke hergestellten Parenteralia gilt etwa bei Arzneimitteln mit dem Wirkstoff Trastuzumab für Biosimilars ein verpflichtender Rabatt von 67,5 Prozent.
In den Monaten vor der Verschiebung des G‑BA-Verfahrens um ein Jahr hatten sich wiederholt Vertreter:innen von Ärzte‑, Patienten- und Apothekerschaft gegen die Gleichbehandlung von Biopharmazeutika mit Generika ausgesprochen. Röhrer dazu: „Die Kontroverse, die wir in den vergangenen Jahren geführt haben, hat sich nicht aufgelöst. Die Regelung ist heute noch genauso umstritten wie zu Anfang. Es braucht sie nicht – und sie ist brandgefährlich.“ Alle Gründe, die gegen die automatische Substitution sprechen, finden Sie hier noch einmal zusammengefasst. Und warum sie ein politischer Fehler ist, erfahren Sie u.a. in diesem Film.
8.12.2022
Wie erfolgreich eine Biopharmazeutika-Therapie nach einem Wechsel vom Originalpräparat auf ein Biosimilar ist, hängt davon ab, ob er von einer Ärzt:in begleitet wurde oder nicht. Das ergab eine Studie mit Rheuma-Patient:innen, die kürzlich veröffentlicht wurde. In den Fällen, wo der Wechsel nach ärztlicher Beratung stattfand, trat seltener ein Therapieversagen auf als in den Fällen, wo ohne ärztliche Beratung ausgetauscht wurde.
Download: Grafik des Monats September 2022
(Berlin) Seit drei Jahren tobt der Streit um die im „Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung“ festgelegte Austauschbarkeit von Biopharmazeutika in der Apotheke. Jetzt hat die Kontroverse auch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G‑BA) voll erreicht. Die heutige Anhörung, die über zwei Stunden mit rund hundert Teilnehmenden abgehalten wurde, hat eins ganz klar offenbart: Es bestehen unverändert massive Bedenken bei Ärztinnen und Ärzten, in der Apothekerschaft und in den Unternehmen zur Umsetzung der Substitution.
Auffallend ist zudem das Tempo, das der G‑BA bei diesem Verfahren vorlegt. Nahm er sich bei dem Verfahren, in dem es um den Austausch der Biosimilars durch den Arzt ging, 15 Wochen Zeit, um vor der Anhörung sämtliche Unterlagen zu prüfen, waren es jetzt – wo es um den Austausch in der Apotheke geht – nur 7 Wochen. Und das, obwohl das aktuelle Verfahren deutlich komplexer, folgenschwerer und vor allem strittiger ist.
G‑BA-Anhörung hinterlässt mehr Fragezeichen als Antworten.
Dazu sagt Dr. Christopher Kirsch, stellvertretender Vorsitzender der AG Pro Biosimilars: „Die Anhörung scheint alle – inklusive G‑BA – ratlos zurückzulassen. Das gesetzliche Mandat zur Umsetzung der Biologika-Substitution kommt einem gordischen Knoten gleich. Der G‑BA kann ihn nicht lösen, ohne dass die Therapiequalität und ‑sicherheit für die Patient:innen Schaden zu nehmen droht. Die Politik muss daher die auch nach drei Jahren unverändert kontroverse Debatte zum Anlass nehmen und die gesetzliche Vorgabe der Substitution streichen.“
Alle Gründe, die gegen die automatische Substitution sprechen, finden Sie hier noch einmal zusammengefasst. Und warum sie ein politischer Fehler ist, erfahren Sie u.a. in diesem Film.
11.07.2022
Der gemeinsame Bundesausschuss (G‑BA) hat heute das Stellungnahmeverfahren zum Austausch von biotechnologisch hergestellten biologischen Arzneimitteln durch Apotheken eingeleitet. Das bedeutet: Ab jetzt arbeitet er an einer Regelung, nach der Bio-pharmazeutika wie Generika in der Apotheke ausgetauscht werden können.
Deutlich wird: Trotz gegenteiliger Verlautbarungen, zunächst nur einen Teil des Marktes unter die neue Regelung zu stellen, hat der G‑BA vor, sofort sämtliche Wirkstoffe austauschen zu lassen – sogar bei onkologischen Zubereitungen.
Dazu sagt Walter Röhrer, Vorsitzender der AG Pro Biosimilars: „Der G‑BA hat das Verfahren gestartet, weil er den gesetzlichen Auftrag dazu hatte. Jetzt ist der Gesetzgeber gefragt – er muss die Passage streichen. Denn die Wahrheit ist: Keine an der Versorgung von Patientinnen und Patienten Beteiligten hält diese Regelung für sinnvoll. Im Gegenteil: Sie finden sie brandgefährlich!“
In den letzten Monaten hatten sich wiederholt Vertreter:innen von Ärzte‑, Patienten- und Apothekerschaft gegen die Gleichbehandlung von Biopharmazeutika mit Generika ausgesprochen. Röhrer dazu: „Die ablehnende Haltung seitens Patient:innen und Ärzt:innen zeigt sich auch am vorliegenden Beschlusstext. Die unterschiedlichen Positionen zur Umsetzung machen es deutlich: Die unterschiedlichen Akteure innerhalb des G‑BA sind sich uneins.“
Laut Röhrer kann nur die Politik diesen Widerspruch auflösen: „Wir sehen: Die Kontroversen sind im Laufe der vergangenen Jahre nicht kleiner geworden. Die Regelung ist noch genauso umstritten, wie zu Anfang. Im Sinne der Patient:innen muss die Entscheidung, welches Präparat abgegeben wird, bei den Ärzten und Ärztinnen bleiben. Und im Sinne einer funktionierenden Arzneimittelversorgung ebenfalls. Nicht zuletzt die Pandemie hat uns gezeigt: Der so entstehende Kostendruck schwächt die Versorgungssicherheit. Das dürfen wir nicht zulassen – schon gar nicht in diesen Zeiten.“
Ab heute haben die Stellungnahmeberechtigten Zeit, ihre Stellungnahme in das Verfahren einzureichen. Den Austausch von Biopharmazeutika hatte die Vorgängerregierung im Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung beschlossen. Sie soll ab Sommer 2022 in Kraft treten. Alle Gründe, die gegen die automatische Substitution sprechen, finden Sie hier noch einmal zusammengefasst. Und warum sie ein politischer Fehler ist, erfahren Sie u.a. in diesem Film.
13.04.2022
Ab Sommer dieses Jahres sollen Biosimilars wie Generika behandelt werden. So legt es das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung aus dem Jahr 2019 fest. Dann können Biosimilars wie Generika gegeneinander ausgetauscht werden und die Krankenkassen werden exklusive Rabattveträge mit den Herstellern abschließen können.
Was genau wird diese Regelung bringen? Braucht es sie wirklich? Und was steht alles auf dem Spiel, wenn sie in Kraft tritt? Das war das Thema unseres Symposiums am 15. Februar 2022, das für die Zuschauerinnen und Zuschauer live aus der Malzfabrik in Berlin übertragen wurde.
Thema der ersten Diskussionsrunde war die Stärke des Biosimilar-Standortes Deutschland. Dazu stellte Dr. Morris Hosseini, Senior Partner bei Roland Berger, eine neue Studie vor.
Seine Kernergebnisse:
Sein Petitum — so stellte Hosseini klar — gehe nicht dahin, Kostensenkungen bei der Arzneimittelversorgung zu verurteilen. Sehr wohl müsse man sparen, so Hosseini: “Aber wenn die Erstattungskosten von Arzneimitteln unter den Produktionskosten liegen, haben wir eben keine europäischen Hersteller mehr. Die Folgen sind dramatisch und wir sollten den Bogen nicht überspannen.”
Den Prozess, den die automatische Substitution bei den Unternehmen in Gang setzen wird, veranschaulichte Dr. Christopher Kirsch, Head of Market Access bei Sandoz Deutschland. Natürlich werde kein Unternehmen sein Werk hier in Deutschland abbauen und es in Asien wieder aufbauen. “So einfach sind Technologietransfers nicht möglich”. Aber man müsse — träte die automatische Substitutition tatsächlich in Kraft — davon ausgehen, dass europäische Hersteller aus dem Markt gedrängt und andere die Produktion übernehmen würden.
Kirsch sagte, er rechne langfristig mit ähnlichen Entwicklungen bei Biosimilars, wie sie aus dem Generika-Bereich bekannt sind. So hätten asiatische Wirkstoffhersteller im generischen Bereich Kostenvorteile gegenüber europäischen Konkurrenten von 20 bis 40 Prozent. Kirsch: “Bei Biosimilars haben wir noch komplexere Anlagen sowie deutlich höhere Kosten für Personal und Qualitätskontrollen. Deshalb müssen wir davon ausgehen, dass sich europäische Hersteller zwar eher längerfristig, dafür aber unwiderruflich aus der Produktion zurückziehen.”
Christina Sabic, Geschäftsleiterin Ambulante Versorgung, AOK Bayern, betonte, dass den Krankenkassen die Versorgungssicherheit besonders am Herzen liege. Sie erwarte keine negativen Folgen der automatischen Substitution und sehe keinen Zusammenhang zwischen Rabattverträgen und Lieferengpässen — im Gegenteil: Man müsse hier von einer extrem stabilen Situation sprechen. Sabic: “Rabattverträge sind versorgungsstärkende Instrumente, denn sie bieten den Unternehmen Planungssicherheit.”
Als Strategie gegen mögliche Lieferengpässe brachte Sabic vor allem Transparenz seitens der Hersteller sowie verbindliche Lager von drei Monaten ins Gespräch. Dem setzte Hosseini entgegen: Biosimilars langfristig zu lagern sei schwierig — schon allein aufgrund der notwendigen Kühlung. Auch sei Transparenz keinesfalls ein Allheilmittel. Hosseini: “Dafür sind die Produktionsvorgänge zu diffizil und zu komplex.” Er warnte davor, das Problem der Engpässe zu bagatellisieren und führte die unwirtschaftlichen Preise als Grund für Engpässe ins Feld.
Kirsch bezweifelte vor allem, dass man mögliche Engpässe bei Biosimilars allein über alternative Ausschreibungsbedinungen in den Rabattverträgen verhindern könne. Lager würden das strukturelle Problem nicht lösen, sondern im Zweifel lediglich die Symptome abschwächen. Er appellierte, nach den Ursachen der Lieferengpässe zu forschen — und diese lägen in der durch Kostendruck verursachten Marktverengung. Kirsch: “Wir sollten nicht überlegen, wie die Rabattverträge ausgestaltet werden können. Wir sollten uns erstmal fragen, ob wir diese bei den Biosimilars tatsächlich einführen wollen. Meine Meinung ist klar: Das wäre ein großer Fehler. Es ist nun an der Politik, das hier diskutierte Regularium noch einmal zu überdenken.”
Gleichzeitig erinnerte Kirsch an das Koalitionspapier der Ampel-Parteien: “Die neue Regierung hat sich vorgenommen, den Biotech-Standort Deutschland zu stärken. Doch die automatische Substitution wird das Gegenteil bewirken: Sie wird unseren Standort schwächen.”
Welche medizinischen Folgen sind zu erwarten, wenn die automatische Substitution in Kraft tritt? Was spricht aus Sicht der Unternehmen gegen diese Regel? Und was sollte der G‑BA beachten, wenn er mit der Ausgestaltung des Gesetzes beginnt? Das waren die Fragen, die in der zweiten Diskussionsrunde besprochen wurden.
Dr. Martin Danner, Vorsitzender der Patientenvereinigung BAG-Selbsthilfe, betonte, dass es für Patient:innen zunächst darauf ankomme, die medizinisch gebotene Therapie zu erhalten. Davon ausgehend sollten sämtliche Beeinträchtigungen der Versorgung von vornherein ausgeschlossen werden. Danner: “Natürlich ist es wichtig, wirtschaftliche Reserven zu heben. Aber den Austausch von Biosimilars sehen wir kritisch, denn: Rabattverträge sind nicht das geeignete Instrument, um Versorgung zu steuern.”
Danner nahm vor allem den Gesetzgeber in die Pflicht. Dieser habe die Regelung eingeführt und müsse nun prüfen, ob die Rahmenbedinungen dafür überhaupt gegeben wären. Danner: “Der Gemeinsame Bundesausschuss kann ja nicht einfach entscheiden: Nein, die automatische Substitution machen wir nicht. Dafür braucht es den Eingriff des Gesetzgebers.”
Danner verwies zudem auf die Tatsache, dass unterschiedliche Präparate auch unterschiedliche Applikationsformen haben: “Einige Patientinnen und Patienten sind sehr lernfähig und fingerfertig. Wir haben aber auch welche mit motorischen Einschränkungen oder Sehbehinderungen, für die wird es schon schwierig. Außerdem ist die Verunsicherung ein Problem — und die kann Auswirkungen auf den Erfolg der Therapien haben.”
Dem pflichtete Prof. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der AkdÄ, aus ärztlicher Sicht bei. Er legte Wert darauf zu betonen, wie wichtig es sei, bei der Arzneimittelversorgung Kosten einzusparen. Dafür seien, so Ludwig, die Biosimilars unerlässlich. “Ich glaube, dass die Aufklärung seitens der Ärzte und Ärztinnen ein Grund für den Erfolg der Biosimilars ist. Die Ärzteschaft hat sich mehrheitlich gut informiert und verstanden, worauf es ankommt. Wir als AkdÄ waren von vornherein absolute Verfechter der Biosimilars.”
Dennoch, sei er gegen die automatische Substitution. Ludwig: “Der Austausch braucht ärztliche Beratung. Und wenn eine Patientin — ein Patient hört, dass er aus wirtschaftlichen Gründen ein günstigeres Präparat erzählt — ohne dass ihm Arzt oder Ärztin vorher erklärt hat, dass dies problemlos möglich ist — dann wird er skeptisch und möglicherweise dieses Arzneimittel ablehnen. Und dann kann es Nocebo-Effekte geben. Das haben wir in Studien oft genug gesehen.”
Ludwig sprach auch das Problem der Pharmakoviliganz an. Wenn die automatische Subsitution umgesetzt wird, könnte das fachärztliche Personal etwaige Nebenwirkungen dem verabreichten Arzneimittel nicht zuordnen. Deshalb brauche es eine verlässliche Dokumentation, um Nebenwirkungen nachvollziehen zu können. Ludwig: “Es ist doch ein Zeichen, dass es automatische Substitution in keinem anderen großen europäischen Land gibt. Unsere Politiker sollten das ernst nehmen. Wir sollten hier in Deutschland nicht aus Aktionismus etwas umsetzen, das noch gar nicht durchdacht ist — nur weil es halt beschlossen wurde.”
Dr. Kerstin Kemmritz, Präsidentin der Apothekerkammer Berlin, betonte vor allem den Unterschied zwischen Generika und Biosimilars. Während die einen problemlos auf Apothekenebene ausgetauscht werden könnten, sei das bei den anderen nicht so einfach. Das liege nicht zuletzt an der notwendigen Einweisung in die jeweiligen Darreichungsformen. “Bei den Biologika haben wir es mit speziellen Arzneiformen zu tun, die erklärt und geübt werden müssen.” Bei einigen Patient:innen gelänge es durch ausgiebige Beratung, bei anderen gelänge es nicht. Da wäre ein Automatismus ein wirklich schwieriger Schritt.
Wenn die automatische Substitution aber käme, brauche es eine sehr enge und gut geregelte Kommunikation und Absprachen zwischen Ärzte‑, Patienten- und Apothekerschaft. Erst wenn diese gewährleistet sei, könnten die Apotheken die Beratung übernehmen.
Aus Gründen wie diesen, so Walter Röhrer, Vorsitzender der AG Pro Biosimilars, sei die automatische Substitution ein Irrweg. Und es brauche sie auch nicht — im Gegenteil: Sie berge zu viele Risiken. Röhrer forderte die Politik dazu auf, anzuerkennen, was die Biosimilars bislang schon geleistet hätten: “Die gesundheitspolitischen Ziele sind alle erreicht. Erhebliche Einsparungen werden realisiert, es gibt keine Lieferausfälle und die Ärzteschaft sowie die Patient:innen vertrauen den Biosimilars.”
In seinen Augen seien sich sämtliche an der Versorgung Beteiligte erschreckend einig darin, dass die Zeit für die automatische Substitution ganz offenbar noch nicht reif und die dafür nötigen Rahmenbedingungen noch nicht gegeben seien. Röhrer: “Die Politik muss jetzt sehen, dass hier etwas gestartet wurde, was nicht klappen wird — und was es auch überhaupt nicht mehr braucht.”
Die Ampel will den Biotech-Standort Deutschland ausbauen und stärken. Deutschland habe, so steht es im Koalitionsvertrag, die Chance, international führend zu werden. Bloß: Die automatische Substitution erhöht den Preisdruck auf Biosimilars. Das kann die Abwanderung der Produktion Richtung Asien beschleunigen und den Standort Deutschland schwächen. Dieser ist heute noch stark. Will ihn die neue Regierung tatsächlich bewahren und ausbauen, muss sie die automatische Substitution noch einmal auf den Prüfstand stellen.
Die Höhe der Einsparungen, die durch den Einsatz von Biosimilars erzielt werden, steigt von Jahr zu Jahr. Immer mehr Originalpräparate laufen aus dem Patent, immer mehr Biosimilars drängen auf den Markt.
Allein im ersten Halbjahr 2021 hat das Gesundheitssystem so mehr als 704 Millionen Euro eingespart. Die Entwicklung zeigt deutlich: Es braucht keinen Eingriff von außen. Im Gegenteil: Die automatische Substitution – der Austausch von Biologika in der Apotheke – droht ein bestehendes System durcheinander zu bringen.
Jährliche Einsparungen durch Biosimilars in Zahlen:
2011 39.676.423 €, 2012 46.435.635 €, 2013 51.688.121 €, 2014 54.742.623 €, 2015 67.685.079 €, 2016 105.963.186 €, 2017 178.674.630 €, 2018 314.205.696 €, 2019 659.353.383 €, 2020 1.127.722.635 €, 2021 (1.Halbjahr) 704.763.186 €, Gesamt 3.371.740.062 €