Presse

Was bedeutet der G‑BA-Beschluss zu den Parenteralia?

Expert:innen diskutieren die automatische Substitution und ihre Folgen

Beim Symposium der AG Pro Biosimilars im Juni 2023 haben Expert:innen aus verschiedenen Fachbereichen unmittelbar nach der G‑BA-Entscheidung über die automatische Substitution von Parenteralia vor negativen Folgen gewarnt. Sie begünstige den ohnehin schon evidenten Trend, dass immer mehr Biopharmazeutika – auch aus Kostengründen – in Asien produziert werden.

Panel 1: Substitution, Versorgungssicherheit und Standort: (Wie) passt das zusammen?“

Dr. Jasmina Kirchhoff vom iW Köln stellte die Studie „Wer Reshoring möchte, muss Offshoring verhindern“ vor, die sie gemeinsam mit Prof. David Francas von der Hochschule Worms durchgeführt hatte. Zwar gäbe es noch einen starken Standort in Europa. Doch dieser sei bereits am Erodieren. Das habe zum einen mit der Preispolitik europäischer Länder zu tun, aber auch mit staatlich gelenkter Industriepolitik in Ländern wie China oder Indien.  Europa müsse, sofern es einen starken Standort und Versorgungssicherheit bei Biopharmazeutika bzw. Biosimilars behalten wolle, vorsichtig sein und den Vorsprung nicht durch Fokussierung auf die Kosten aufs Spiel setzen.

Lars Lindemann, MdB, Sprecher für Arzneimittel der FDP-Bundestagspartei, machte deutlich, dass seine Partei die automatische Substitution durchaus kritisch sehe. Er habe sich aber im parlamentarischen Prozess nicht durchsetzen können. Bei Generika sei es in den letzten Jahrzehnten einzig darum gegangen, den Preis zu drücken. Wenn dies nun auch bei den Biosimilars passiere, könne er nachvollziehen, dass sich Hersteller zurückzögen. „Wir müssen anfangen gesundheitswirtschaftlich zu denken“, so Lindemann. Versorgungssicherheit heiße auch, Arzneimittel in Europa zu produzieren. Das aber bedeute auch höhere Preise. „Wir müssten hier mehr Geld ausgeben und ich bezweifle, dass wir dafür eine politische Mehrheit finden.“

Walter Röhrer, Vorsitzender der AG Pro Biosimilars, machte deutlich, dass es der Branche nicht um „Subventionen“ ginge. Vielmehr seien die Biosimilars ein gesundes System, das man nunmehr – ohne Not – gefährde und damit massive Folgen für den Standort und die Versorgungssicherheit riskiere. „Mir ist völlig unverständlich, warum die Politik bei den Biopharmazeutika eine Entwicklung in Gang setzt, die sie bei den Generika gerade versucht rückgängig zu machen“, sagte Röhrer. „Lassen sie das mit der Subvention und sie werden sehen: Der Biosimilar-Wettbewerb wird weiterhin Einsparungen generieren.“

Sie möchten den Vortrag von Dr. Jasmina Kirchhoff ansehen? Dann klicken Sie hier.
Die Studie von Dr. Jasmina Kirchhoff und Prof. David Francas finden Sie hier.

Den Mitschnitt des 1. Panels gibt es hier. Eine Zusammenfassung (10 Minuten) des 1. Panels steht hier zum Download bereit.

Panel 2: Automatische Substitution bei Parenteralia – was ist jetzt zu beachten?“

In der Diskussion über den G‑BA-Beschluss zum Austausch von Biopharmazeutika in parenteralen Zubereitungen wurde deutlich, dass es noch viele Unklarheiten darüber gibt, was nun eigentlich geregelt ist.

„Der G‑BA-Beschluss wirft mehr Fragen auf, als er beantwortet“, sagte Dr. Christopher Kirsch, Leiter Market Access bei Sandoz Deutschland. „So lässt er beispielsweise offen, welche Wirkstoffe er überhaupt meint, wenn er sie als austauschbar deklariert. Das gibt Riesenprobleme in der Umsetzung. Und der G‑BA bestimmt deren Austauschbarkeit an Stellen, wo diese gar nicht zulässig ist – nämlich außerhalb von Rabattverträgen. Das ist sozialrechtlich nicht legitimiert und damit rechtswidrig“.

Auch Christiane Müller, Geschäftsführerin, VZA e.V., betonte die Unklarheiten des Beschlusses, der die Apotheken vor große Probleme stelle. Begriffe würden nicht definiert und die Apotheker an vielen Stellen alleine gelassen. Sie forderte den G‑BA u.a. auf, eine konkrete Liste mit Wirkstoffen zu erarbeiten, die ausgetauscht werden können. „Ansonsten fehlt hier Rechtssicherheit“, so Müller.

Thomas Müller, Abteilungsleiter 1, BMG, gab zu: „Die Normenklarheit ist noch nicht ideal.“ Das nehme er mit. Gleichzeitig stellte er klar, an der automatischen Substitution festhalten zu wollen. „Ziel ist es, dass die Wirtschaftlichkeit erhöht wird. Und das erreichen wir durch Rabattverträge“. Für ihn bedeuteten Biosimilar-Marktanteile von 90 Prozent nicht, dass die Wirtschaftlichkeit maximal ausgeschöpft sei – auch nicht, wenn bereits jetzt bis zu 80 Prozent Rabatt gewährt würden.

Dr. André Breddemann, Abteilungsleiter Verordnete Leistungen BARMER, beteuerte, im Rahmen von Verträgen Klarheit für die Apotheken schaffen und das Instrument der Rabattverträge weiterentwickeln zu wollen. Für seine Krankenkasse sollten diese zu einem versorgungssichernden Instrument werden. „Bei den Generika haben wir einen Lernprozess durchlaufen“, so Breddemann. „Wir wiederholen bei den Biosimilars nicht 1:1 dieselbe Geschichte und machen nicht dieselben Fehler nochmal.“

Das wollte Christopher Kirsch nicht gelten lassen. Für ihn könne es keinen vorsichtigen Weg geben. Selbst wenn eine Kasse mit Augenmaß vorgehe und bloß über einen Wirkstoff Rabattverträge abschließe, ziehe mit Sicherheit eine andere nach. Kirsch: „Und schon sind wir im Bann dieser Entwicklung und können nicht mehr gegensteuern. Der Beschluss des G‑BA ist eine „Krankschreibung für ein gesundes System“. Das Gesundheitsministerium darf ihn auf keinen Fall durchwinken und muss die unklaren Punkte beanstanden.“

Sie möchten sich das gesamte 2. Panel anschauen? Dann klicken Sie hier.
Eine Zusammenfassung des 2. Panels (20 Minuten) finden Sie hier.

29.06.2023

Veranstaltungen

Digitales Symposium 2023

Die automatische Substitution und ihre Folgen

Beim Symposium der AG Pro Biosimilars haben Expert:innen vor den negativen Folgen der automatische Substitution gewarnt.

Hier finden Sie den Stream der Veranstaltung sowie die Highlights der beiden Panels — zum Nachlesen und Nachschauen.

Impulsvortrag

Dr. Jasmina Kirchhoff vom iW Köln stellte die Studie „Wer Reshoring möchte, muss Offshoring verhindern“ vor, die sie gemeinsam mit Prof. David Francas von der Hochschule Worms durchgeführt hatte. Zwar gäbe es noch einen starken Standort in Europa. Doch dieser sei bereits am Erodieren. Das habe zum einen mit der Preispolitik europäischer Länder zu tun, aber auch mit staatlich gelenkter Industriepolitik in Ländern wie China oder Indien.  Europa müsse, sofern es einen starken Standort und Versorgungssicherheit bei Biopharmazeutika bzw. Biosimilars behalten wolle, vorsichtig sein und den Vorsprung nicht durch Fokussierung auf die Kosten aufs Spiel setzen.

Sie legte folgendes dar:

  • Starker Standort: Biosimilars, die für den deutschen Markt bestimmt sind, werden noch zu 50 Prozent in Europa produziert, 30 Prozent davon in Deutschland.
  • Wachsende Konkurrenz: Der asiatische Anteil an der Produktion ist seit dem Jahr 2010 von Null auf 30 Prozent gestiegen.
  • Gefährliche Tendenz: Einseitige Konzentration auf Kosten bei Biosimilars (automatische Substitution) begünstigt asiatische Produktionsstätten und kann zu Abwanderung führen.

Zwar stütze sich die Versorgung mit Biosimilars auf einen starken Produktionsstandort in Deutschland. Nun aber wolle die Politik den Kostendruck auf Biopharmazeutika massiv erhöhen und biopharmazeutische Wirkstoffe als automatisch gegeneinander austauschbar erklären. Dies sei gefährlich. Europa müsse, sofern es einen starken Standort und entsprechend Versorgungssicherheit bei Biopharmazeutika bzw. Biosimilars behalten wolle, vorsichtig sein und den Vorsprung nicht durch Fokussierung auf die Kosten aufs Spiel setzen. Die automatische Substitution werde das Erodieren des Standortes Europa beschleunigen und sei deswegen ein Irrweg.

Der Impulsvortrag von Dr. Kirchhoff
Zum Vortrag (YouTube)

Panel 1: Substitution, Versorgungssicherheit und Standort: (Wie) passt das zusammen?“

Hier diskutierten:

  • Dr. Jasmina Kirchhoff, iW Köln
  • Lars LIndemann, MdB, Sprecher für Arzneimittel der FPD
  • Walter Röhrer, Vorsitzender der AG Pro Biosimilars

Dr. Jasmina Kirchhoff sagte, es gäbe zwar noch einen starken Standort in Europa. Doch dieser sei bereits am Erodieren. Das habe zum einen mit der Preispolitik europäischer Länder zu tun, aber auch mit staatlich gelenkter Industriepolitik in Ländern wie China oder Indien.  Europa müsse, sofern es einen starken Standort und Versorgungssicherheit bei Biopharmazeutika bzw. Biosimilars behalten wolle, vorsichtig sein und den Vorsprung nicht durch Fokussierung auf die Kosten aufs Spiel setzen.

Lars Lindemann machte deutlich, dass seine Partei die automatische Substitution durchaus kritisch sehe. Er habe sich aber im parlamentarischen Prozess nicht durchsetzen können. Bei Generika sei es in den letzten Jahrzehnten einzig darum gegangen, den Preis zu drücken. Wenn dies nun auch bei den Biosimilars passiere, könne er nachvollziehen, dass sich Hersteller zurückzögen. Man müsste anfangen gesundheitswirtschaftlich zu denken, so Lindemann.

Walter Röhrer äußerte sein Unverständnis darüber, dass die Politik bei den Biosimilars dieselbe Entwicklung einleite, die sie bei den Generika derzeit versuche rückgängig zu machen. Er versprach, dass die Biosimilars auch ohne automatische Substitution genügend Einsparungen bringen würden und forderte die Politik auf den automatischen Austausch zu stoppen.

Die gesamte Diskussion im Stream

Zur Langfassung (YouTube)

Die Highlights der Diskussion

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Panel 2: Automatische Substitution bei Parenteralia – was ist jetzt zu beachten?“

Hier diskutierten:

  • Dr. André Breddemann, Abteilungsleiter Verordnete Leistungen BARMER
  • Dr. Christopher Kirsch, Stv. Vorsitzender der AG Pro Biosimilars/Head Market Access, Sandoz Deutschland/Hexal AG
  • Christiane Müller, Geschäftsführerin, VZA e.V.
  • Thomas Müller, Abteilungsleiter 1, BMG

In diesem Panel wurde darüber diskutiert, was der G‑BA-Beschluss zu den Biosimilars in Parenteralia eigentlich bedeutet, welche Wirkstoffe er meint und welche Probleme es für die Umsetzung geben kann. Mit Blick auf den G‑BA-Beschluss wurde überdeutlich, dass es noch viele Unklarheiten darüber gibt, was nun eigentlich geregelt ist.

Dr. Christopher Kirsch sagte, der G‑BA-Beschluss werfe mehr Fragen auf, als er beantworte. Er lasse offen, welche Wirkstoffe er überhaupt für austauschbar halte. Das gäbe große Probleme bei der Umsetzung. Und der G‑BA bestimme die Austauschbarkeit an Stellen außerhalb von Rabattverträgen. Das sei sozialrechtlich nicht legitimiert und damit rechtswidrig.

Auch Christiane Müller, betonte die Unklarheiten des Beschlusses, der die Apotheken vor große Probleme stelle. Begriffe würden nicht definiert und die Apotheker an vielen Stellen alleine gelassen. Sie forderte den G‑BA u.a. auf, eine konkrete Liste mit Wirkstoffen zu erarbeiten, die ausgetauscht werden können.

Thomas Müller gab zu, dass die Normenklarheit noch nicht ideal sei. Gleichzeitig stellte er klar, an der automatischen Substitution festhalten zu wollen. Ziel sei es, dass die Wirtschaftlichkeit erhöht werde. Und das würde durch Rabattverträge erreicht. Für ihn bedeuteten Biosimilar-Marktanteile von 90 Prozent nicht, dass die Wirtschaftlichkeit maximal ausgeschöpft sei – auch nicht, wenn bereits jetzt bis zu 80 Prozent Rabatt gewährt würden.

Die gesamte Diskussion im Stream

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Die Highlights der Diskussion

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Juni 2023

Immer mehr Biosimilar-Produktion in Asien

Graphic of the month

Noch wird gut die Hälfte der in der EU zugelassenen Biosimilars in Europa gefertigt. Doch die Konkurrenz wächst. Der asiatische Anteil an der Produktion ist seit dem Jahr 2010 massiv angestiegen. Ein Trend, der sich verstärken könnte. Denn der Kostendruck auf Biosimilars (etwa durch die geplante automatische Substitution von Biopharmazeutika) begünstigt asiatische Produktionsstätten und kann zu weiterer Abwanderung führen.

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Presse

Pharmaverbände: Automatische Substitution gefährdet den Biotech-Standort

Die automatische Substitution von Biopharmazeutika ist aus Sicht von BAH, BPI, der AG Pro Biosimilars und vfa gefährlich. Das bekräftigen die Verbände der pharmazeutischen Industrie anlässlich der heutigen Befassung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G‑BA) mit der im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) verankerten Regelung. Sie warnen vor den negativen Folgen für den derzeit noch robusten Biotech-Produktionsstandort Europa und für die Versorgungssicherheit. Die Politik dürfe nicht den gleichen Fehler wie bei den Generika machen und durch ungehemmte Kostendämpfung im GKV-System die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Hersteller gefährden. Der funktionierende Biopharmazeutika-Standort Deutschland und Europa müsse vielmehr gesichert werden.  

Es gibt viele gute Gründe gegen die Substitution von Biopharmazeutika. Weil parenteral zu applizierende Arzneimittel in der Regel besonders sensiblen Patientengruppen mit chronischen und onkologischen Erkrankungen verordnet werden, muss die Patientensicherheit grundsätzlich an erster Stelle stehen. Es gibt jedoch auch mit Blick auf eine stabile GKV-Finanzierung keinen Grund zum automatischen Austausch: Der Biosimilar-Markt funktioniert, der Wettbewerb ist im vollen Gange. Nicht nur erreichen die meisten Nachahmerprodukte Verordnungsquoten von 70 bis gar über 90 Prozent. Mit 2021 gesetzlich verankerten Hinweisen zur wirtschaftlichen Verordnung von Biopharmazeutika für Ärztinnen und Ärzte ist bereits hinreichend dafür gesorgt, dass Biopharmazeutika wirtschaftlich verordnet und sicher angewendet werden. 

Dennoch wurde der G‑BA im GKV-FinStG beauftragt, zunächst Hinweise zur automatischen Substitution (auf Ebene der Apotheken) bei parenteralen Biopharmazeutika-Zubereitungen zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bis zum Sommer dieses Jahres zu erarbeiten. Dabei wirkt bereits die Dynamik der Hilfstaxe kostendämpfend, denn seit dem 1. September 2022 müssen Biosimilar-Unternehmen den Krankenkassen für Biosimilars, die in parenteralen Zubereitungen verwendet werden, bis zu fast 68 Prozent Rabatt gewähren. Daraus ergeben sich hochgerechnet Einsparungen von mehr als 500 Millionen Euro pro Jahr, die durch Biosimilars aufgrund dieser neuen Regelung allein im niedergelassenen Bereich erreicht werden. Diese Instrumente heben umfassend das Einsparpotenzial der Biopharmazeutika.

Eine doppelte Steuerung durch eine automatische Substitution in der Apotheke, infolgedessen die Krankenkassen mit einzelnen Herstellern exklusive Rabattverträge abschließen und so noch höhere Preisnachlässe erwirken können sollen, ist überflüssig und birgt die Gefahr eines ruinösen Wettbewerbs, der bereits bei Generika zur Abwanderung der Produktion und Lieferengpässen geführt hat.

Die Verbände fordern daher den Gesetzgeber dazu auf, im Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) eine Streichung des Auftrages an den G‑BA vorzunehmen oder zumindest klarzustellen, dass es nach diesem Schritt mit den Hinweisen für den Austausch von parenteralen Biopharmazeutika-Zubereitungen zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung zu keinen weiteren Schritten in Richtung einer vollumfänglichen automatischen Substitution in der Apotheke kommt. 

Hintergrund: Mit dem im November 2022 in Kraft getretenen GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) wurde der Regelungsauftrag zur automatischen Substitution an den G‑BA konkretisiert: Hiernach sollen Apotheken verpflichtet sein, verordnete biotechnologisch hergestellte Arzneimittel (Biopharmazeutika) auszutauschen, wenn es sich um parenterale Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patient:innen handelt.

15.06.2023

Presse

Biosimilar-Produktion: Wer Reshoring möchte, muss Offshoring vermeiden

Neue Studie zum Biosimilar-Standort Deutschland

  • Starker Standort: Biosimilars, die für den deutschen Markt bestimmt sind, werden noch zu 50 Prozent in Europa produziert, 30 Prozent davon in Deutschland.
  • Wachsende Konkurrenz: Der asiatische Anteil an der Produktion ist seit dem Jahr 2010 von Null auf 30 Prozent gestiegen.
  • Gefährliche Tendenz: Einseitige Konzentration auf Kosten bei Biosimilars (automatische Substitution) begünstigt asiatische Produktionsstätten und kann zu Abwanderung führen.

Biotech-Medikamente sind auf dem Vormarsch. 2021 war jedes dritte Arzneimittel in Deutschland ein Biopharmazeutikum. Auch deren Nachahmerpräparate (Biosimilars) werden zunehmend relevant für die Versorgung (z.B. bei Rheuma, Krebs und Diabetes). Dabei stützt sich die Versorgung mit Biosimilars auf einen starken Produktionsstandort in Deutschland. Noch! Denn die Politik will jetzt den Kostendruck auf Biopharmazeutika massiv erhöhen. Ab Sommer sollen biopharmazeutische Wirkstoffe automatisch gegeneinander austauschbar sein – was Rabattschlachten wie bei Generika möglich machen soll.

Schwächen Maßnahmen wie die automatische Substitution den Standort Deutschland und in der Folge auch die Versorgungssicherheit?

Dieser Frage geht die Studie „Wer Reshoring möchte, muss Offshoring vermeiden“ von Prof. David Francas, Lieferkettenexperte an der Hochschule Worms und Dr. Jasmina Kirchhoff, iW Köln nach. Sie kommt u.a. zu dem Ergebnis: Die Verlagerung der Produktionsstätten für europäische Biosimilars Richtung Asien hat bereits begonnen – und es gibt Entwicklungen, die diesen Trend verstärken könnten.

Entwicklung 1: Das Preisniveau der Biosimilars

„Wie bei Generika sieht das deutsche Gesundheitssystem in Biosimilars vor allem die möglichen Einsparungen und ignoriert, dass der Kostendruck zu Standortverlagerungen führen kann, die auch die Versorgungssicherheit betreffen können“, sagt Dr. Jasmina Kirchhoff. „Das sahen wir bei den Generika und das kann auch bei den Biosimilars so kommen.“

Entwicklung 2: Die wachsende Biotech-Expertise asiatischer Länder

 „Bei der Biopharmazeutika-Produktion zählen Produktionsstätten in China, Indien und Korea bereits zur Weltspitze“, führt Prof. David Francas aus. „Unternehmen benennen China und Indien schon heute vor Deutschland als bevorzugte Standorte für das Outsourcing biopharmazeutischer Fertigungen“.

Entwicklung 3: Die staatlich gelenkte Industriepolitik asiatischer Länder

 „Länder wie China und Indien haben die ökonomischen und versorgungsrelevanten Potenziale der Biopharmazeutika-Produktion erkannt und bauen diese mithilfe staatlicher Fördermaßnahmen ganz gezielt aus“, sagt Francas. „So hat die chinesische Regierung in ihrem Plan „Made in China 2025“ die (Bio-)Medizin als eine der zehn Schlüsselindustrien der Zukunft benannt. Ziel ist es, bis 2049 zur führenden Industrienation der Welt aufzusteigen. Dafür werden Schlüsselindustrien mit hohen Subventionen unterstützt.“

Mit Blick auf Biosimilars kommt Francas zu dem Ergebnis: „Noch haben wir hier so gut wie keine Engpässe. Eine Abwanderung der Produktion aber könnte die Versorgungssicherheit entscheidend schwächen.“

Walter Röhrer, Vorsitzender der AG Pro Biosimilars, fordert die Politik auf, diese Entwicklungen ernst zu nehmen und Schlüsse daraus zu ziehen: „Eine Stärkung der Versorgungssicherheit auch durch eine robuste industrielle Basis hierzulande ist erklärtes Ziel der Ampelregierung und fraktionsübergreifender Konsens. Es ist völlig unverständlich, dass die Regierung gerade mit Blick auf die versorgungsrelevanten Biosimilars dieses Ziel konterkariert. Mit der automatischen Substitution erhöht sie den Kostendruck, verschafft Ländern wie China und Indien einen Wettbewerbsvorteil und riskiert vor allem sehenden Auges Abhängigkeiten bei zunehmenden geopolitischen Spannungen. Sie muss diese Regelung stoppen und den entsprechenden Passus, den ihr die Vorgängerregierung ins Gesetz geschrieben hat, löschen.“ 

Gefährliche Entwicklung: Die Abwanderung der Biosimilar-Produktion Richtung Asien

Hier finden Sie die Studie zum Download.

12.06.2023

Studien

Chancen und Risiken des Biosimilar-Standorts Europa

Wer Reshoring möchte, muss Offshoring vermeiden

Wie stark ist der Biosimilar-Standort Deutschland? Welche Rolle spielen asiatische Produktionsstätten? Und schwächen Maßnahmen wie die automatische Substitution den Standort Deutschland und in der Folge auch die

Versorgungssicherheit? Dieser Frage sind Prof. David Francas, Lieferkettenexperte an der Uni Worms und Dr. Jasmina Kirchhoff, iW Köln, nachgegangen. Antworten liefert das Papier „Wer Reshoring möchte, muss Offshoring vermeiden“.

Neue Studie zur Biosimilar-Produktion

Die Ergebnisse in Kürze:

  • Starker Standort: Biosimilars, die für den deutschen Markt bestimmt sind, werden noch zu 50 Prozent in Europa produziert, 30 Prozent davon in Deutschland.
  • Wachsende Konkurrenz: Der asiatische Anteil an der Produktion ist seit dem Jahr 2010 von Null auf 30 Prozent gestiegen.
  • Gefährliche Tendenz: Einseitige Konzentration auf Kosten bei Biosimilars (Stichwort: automatische Substitution) begünstigt asiatische Produktionsstätten und kann zu Abwanderung führen.

Biotech-Medikamente sind auf dem Vormarsch. 2021 war jedes dritte Arzneimittel in Deutschland ein Biopharmazeutikum. Auch deren Nachahmerpräparate (Biosimilars) werden zunehmend relevant für die Versorgung (z.B. bei Rheuma, Krebs und Diabetes). Dabei stützt sich die Versorgung mit Biosimilars auf einen starken Produktionsstandort in Deutschland. Noch!

Denn die Politik will den Kostendruck auf Biopharmazeutika massiv erhöhen: Biopharmazeutische Wirkstoffe sollen automatisch gegeneinander austauschbar sein – das würde Rabattschlachten wie bei Generika möglich machen.

Schwächen Maßnahmen wie die automatische Substitution den Standort Deutschland und in der Folge auch die Versorgungssicherheit?

Dieser Frage geht die Studie „Wer Reshoring möchte, muss Offshoring vermeiden“ von Prof. David Francas, Lieferkettenexperte an der Hochschule Worms und Dr. Jasmina Kirchhoff, iW Köln, nach. Sie kommt u.a. zu dem Ergebnis: Die Verlagerung der Produktionsstätten für europäische Biosimilars Richtung Asien hat bereits begonnen – und es gibt Entwicklungen, die diesen Trend verstärken könnten.

Entwicklung 1: Das Preisniveau der Biosimilars

„Wie bei Generika sieht das deutsche Gesundheitssystem in Biosimilars vor allem die möglichen Einsparungen und ignoriert, dass der Kostendruck zu Standortverlagerungen führen kann, die auch die Versorgungssicherheit betreffen können“, sagt Dr. Jasmina Kirchhoff. „Das sahen wir bei den Generika und das kann auch bei den Biosimilars so kommen.“

Entwicklung 2: Die wachsende Biotech-Expertise asiatischer Länder

„Bei der Biopharmazeutika-Produktion zählen Produktionsstätten in China, Indien und Korea bereits zur Weltspitze“, führt Prof. David Francas aus. „Unternehmen benennen China und Indien schon heute vor Deutschland als bevorzugte Standorte für das Outsourcing biopharmazeutischer Fertigungen.“

Entwicklung 3: Die staatlich gelenkte Industriepolitik asiatischer Länder

„Länder wie China und Indien haben die ökonomischen und versorgungsrelevanten Potenziale der Biopharmazeutika-Produktion erkannt und bauen diese mithilfe staatlicher Fördermaßnahmen ganz gezielt aus“, sagt Francas. „So hat die chinesische Regierung in ihrem Plan „Made in China 2025“ die (Bio-)Medizin als eine der zehn Schlüsselindustrien der Zukunft benannt. Ziel ist es, bis 2049 zur führenden Industrienation der Welt aufzusteigen. Dafür werden Schlüsselindustrien mit hohen Subventionen unterstützt.“

Mit Blick auf Biosimilars kommt Francas zu dem Ergebnis: „Noch haben wir hier so gut wie keine Engpässe. Eine Abwanderung der Produktion aber könnte die Versorgungssicherheit entscheidend schwächen.“

Walter Röhrer, Vorsitzender der AG Pro Biosimilars

Walter Röhrer

Vorsitzender AG Pro Biosimilars

Eine Stärkung der Versorgungssicherheit auch durch eine robuste industrielle Basis hierzulande ist erklärtes Ziel der Ampelregierung und fraktionsübergreifender Konsens. Es ist völlig unverständlich, dass die Regierung gerade mit Blick auf die versorgungsrelevanten Biosimilars dieses Ziel konterkariert.

Röhrer fordert die Politik auf, diese Entwicklungen ernst zu nehmen und Schlüsse daraus zu ziehen: „Mit der automatischen Substitution erhöht sie den Kostendruck, verschafft Ländern wie China und Indien einen Wettbewerbsvorteil und riskiert vor allem sehenden Auges Abhängigkeiten bei zunehmenden geopolitischen Spannungen. Sie muss diese Regelung stoppen und den entsprechenden Passus, den ihr die Vorgängerregierung ins Gesetz geschrieben hat, löschen.“ 

12.06.2023

Studie: Wer Reshoring möchte, muss offshoring vermeiden
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Publikationen

Biosimilars in der Augenheilkunde

Biologische Arzneimittel spielen bei der Behandlung ophthalmologischer Indikationen zunehmend eine wichtige Rolle, entsprechend steigt die Relevanz der Biosimilars, die mit Ablauf des

Patentschutzes auf den Markt gelangen können. Was aber müssen Augenärzt:innen über diese Arzneimittelgruppe wissen und was bei ihrem Einsatz bedenken? Das erklären wir in diesem Band.

Mit dem vorliegenden „Versorgungsfokus Augenheilkunde“ möchten wir Sie über grundlegende Aspekte der Biosimilars, deren Chancen für die Versorgung der Patient:innen und insbesondere über deren Einsatz zur Behandlung ophthalmologischer Erkrankungen informieren. Dabei richten wir uns vor allem an Ärzt:innen und Ärzte, für die der Umgang mit Biosimilars neu sind. Aber natürlich richten wir uns auch an alle anderen, die sich über die Chancen für das Gesundheitssystem, die sich aus Biosimilars in der Augenheilkunde ergeben, informieren möchten.

Im Mittelpunkt unserer Publikation steht ein Aufsatz der Ophthalmologie-Experten Dr. med. Maximilian W.M. Wintergerst und Prof. Dr. med. Robert P. Finger vom Universitätsklinikum Bonn. Hier geben sie einen Überblick zum Herstellungs- und Zulassungsprozess von Biopharmazeutika und beschreiben die verschiedenen Einsatzbereiche in der Augenheilkunde.

Sie können kostenlose Druckexemplare via info@probiosimilars.de bestellen.

Versorgungsfokus Augenheilkunde (2023)

Laden Sie sich hier die gesamte Ausgabe unserer Publikation herunter.

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Augenheilkunde
Mai 2023

Biosimilars sorgen für Wettbewerb

Graphic of the month

Der Vergleich der durchschnittlichen Tagstherapiekosten der Erstanbieterpräparate mit oder ohne Biosimilar-Konkurrenz zeigt: Biosimilars sorgen für Wettbewerb bei hochpreisigen Biopharmazeutika.

Vorherige Grafiken

Presse

Aktuelle Marktdaten zeigen, dass es automatische Substitution nicht braucht

(Berlin) Engpässe bei Antibiotika, Krebsmitteln, Blutdrucksenkern: Während die Lage bei Generika immer angespannter wird, können Patient:innen mit Biosimilars zuverlässig versorgt werden. Noch. Denn während die Politik derzeit mit dem ALBVVG versucht, den Kostendruck auf Generika zumindest minimal zu lindern, lässt sie bei den Biopharmazeutika dieselbe Entwicklung zu wie bei Generika. Denn in diesem Sommer sollen auch Biopharmazeutika – zumindest in Parenteralia – gegeneinander austauschbar werden.

Dass dies nicht nur ein fataler Fehler, sondern auch unnötig ist, zeigen die aktuellen Marktdaten. Denn

  • Biosimilars gelangen schnell in die Versorgung. Bei den Wirkstoffen, für die es Biosimilars gibt, haben diese einen Versorgungsanteil von mehr als 70 Prozent.
  • Biosimilars sorgen bereits für massive Einsparungen. Deren Höhe steigt von Jahr zu Jahr steil an. Insgesamt wurden dank Biosimilars schon knapp 6 Milliarden Euro eingespart.
  • Die Krankenkassen erhalten bereits hohe Rabatte, denn die allermeisten sind unter Rabattvertrag. Und für Biosimilars, die in parenteralen Zubereitungen verwendet werden, liegt die Höhe der zu zahlenden Rabatte bereits bei bis zu 80 Prozent.

Dazu sagt Walter Röhrer, Vorsitzender der AG Pro Biosmilars: „Die automatische Substitution wurde 2019 beschlossen – das war vor der Pandemie, vor dem russischen Krieg gegen die Ukraine und vor den massiven Engpässen bei Kinderarznneimitteln, Krebsmedikamenten und Blutdrucksenkern. Die Politik sollte jetzt zeigen, dass sie lernfähig ist und den Passus, dessen Konsequenzen wir bei Generika derzeit überdeutlich sehen, schnellstmöglich löschen. Ansonsten wiederholt sich die Generika-Geschichte ausgerechnet bei den für den Standort Deutschland und die Versorgung schwer erkrankter Patient:innen so essentiellen Biopharmazeutika.“

Warum es die automatische Substitution für Biopharmazeutika nicht braucht und sie aus Sicht der AG Pro Biosimilars sogar gefährlich ist, lesen Sie hier.

Unsere neue Broschüre „Biosimilars in Zahlen“ mit aktuellen Zahlen, Daten und Fakten können Sie hier herunterladen oder unter info@probiosimilars.de kostenfrei bestellen. Die Publikation nimmt den gesamten Markt, die einzelnen Wirkstoffe sowie die Biosimilars der Zukunft unter die Lupe.

16.05.2023

April 2023

Biosimilars unter Rabattvertrag

Graphic of the month

2022 erreichte der Anteil der Packungen mit zusätzlichen Rabatten für die Krankenkassen einen neuen Höchstwert: 9 von 10 abgegebenen Biosimilar-Packungen sind unter Rabattvertrag.

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