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Was bedeutet der G‑BA-Beschluss zu den Parenteralia?

Expert:innen diskutieren die automatische Substitution und ihre Folgen

Beim Symposium der AG Pro Biosimilars im Juni 2023 haben Expert:innen aus verschiedenen Fachbereichen unmittelbar nach der G‑BA-Entscheidung über die automatische Substitution von Parenteralia vor negativen Folgen gewarnt. Sie begünstige den ohnehin schon evidenten Trend, dass immer mehr Biopharmazeutika – auch aus Kostengründen – in Asien produziert werden.

Panel 1: Substitution, Versorgungssicherheit und Standort: (Wie) passt das zusammen?“

Dr. Jasmina Kirchhoff vom iW Köln stellte die Studie „Wer Reshoring möchte, muss Offshoring verhindern“ vor, die sie gemeinsam mit Prof. David Francas von der Hochschule Worms durchgeführt hatte. Zwar gäbe es noch einen starken Standort in Europa. Doch dieser sei bereits am Erodieren. Das habe zum einen mit der Preispolitik europäischer Länder zu tun, aber auch mit staatlich gelenkter Industriepolitik in Ländern wie China oder Indien.  Europa müsse, sofern es einen starken Standort und Versorgungssicherheit bei Biopharmazeutika bzw. Biosimilars behalten wolle, vorsichtig sein und den Vorsprung nicht durch Fokussierung auf die Kosten aufs Spiel setzen.

Lars Lindemann, MdB, Sprecher für Arzneimittel der FDP-Bundestagspartei, machte deutlich, dass seine Partei die automatische Substitution durchaus kritisch sehe. Er habe sich aber im parlamentarischen Prozess nicht durchsetzen können. Bei Generika sei es in den letzten Jahrzehnten einzig darum gegangen, den Preis zu drücken. Wenn dies nun auch bei den Biosimilars passiere, könne er nachvollziehen, dass sich Hersteller zurückzögen. „Wir müssen anfangen gesundheitswirtschaftlich zu denken“, so Lindemann. Versorgungssicherheit heiße auch, Arzneimittel in Europa zu produzieren. Das aber bedeute auch höhere Preise. „Wir müssten hier mehr Geld ausgeben und ich bezweifle, dass wir dafür eine politische Mehrheit finden.“

Walter Röhrer, Vorsitzender der AG Pro Biosimilars, machte deutlich, dass es der Branche nicht um „Subventionen“ ginge. Vielmehr seien die Biosimilars ein gesundes System, das man nunmehr – ohne Not – gefährde und damit massive Folgen für den Standort und die Versorgungssicherheit riskiere. „Mir ist völlig unverständlich, warum die Politik bei den Biopharmazeutika eine Entwicklung in Gang setzt, die sie bei den Generika gerade versucht rückgängig zu machen“, sagte Röhrer. „Lassen sie das mit der Subvention und sie werden sehen: Der Biosimilar-Wettbewerb wird weiterhin Einsparungen generieren.“

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Die Studie von Dr. Jasmina Kirchhoff und Prof. David Francas finden Sie hier.

Den Mitschnitt des 1. Panels gibt es hier. Eine Zusammenfassung (10 Minuten) des 1. Panels steht hier zum Download bereit.

Panel 2: Automatische Substitution bei Parenteralia – was ist jetzt zu beachten?“

In der Diskussion über den G‑BA-Beschluss zum Austausch von Biopharmazeutika in parenteralen Zubereitungen wurde deutlich, dass es noch viele Unklarheiten darüber gibt, was nun eigentlich geregelt ist.

„Der G‑BA-Beschluss wirft mehr Fragen auf, als er beantwortet“, sagte Dr. Christopher Kirsch, Leiter Market Access bei Sandoz Deutschland. „So lässt er beispielsweise offen, welche Wirkstoffe er überhaupt meint, wenn er sie als austauschbar deklariert. Das gibt Riesenprobleme in der Umsetzung. Und der G‑BA bestimmt deren Austauschbarkeit an Stellen, wo diese gar nicht zulässig ist – nämlich außerhalb von Rabattverträgen. Das ist sozialrechtlich nicht legitimiert und damit rechtswidrig“.

Auch Christiane Müller, Geschäftsführerin, VZA e.V., betonte die Unklarheiten des Beschlusses, der die Apotheken vor große Probleme stelle. Begriffe würden nicht definiert und die Apotheker an vielen Stellen alleine gelassen. Sie forderte den G‑BA u.a. auf, eine konkrete Liste mit Wirkstoffen zu erarbeiten, die ausgetauscht werden können. „Ansonsten fehlt hier Rechtssicherheit“, so Müller.

Thomas Müller, Abteilungsleiter 1, BMG, gab zu: „Die Normenklarheit ist noch nicht ideal.“ Das nehme er mit. Gleichzeitig stellte er klar, an der automatischen Substitution festhalten zu wollen. „Ziel ist es, dass die Wirtschaftlichkeit erhöht wird. Und das erreichen wir durch Rabattverträge“. Für ihn bedeuteten Biosimilar-Marktanteile von 90 Prozent nicht, dass die Wirtschaftlichkeit maximal ausgeschöpft sei – auch nicht, wenn bereits jetzt bis zu 80 Prozent Rabatt gewährt würden.

Dr. André Breddemann, Abteilungsleiter Verordnete Leistungen BARMER, beteuerte, im Rahmen von Verträgen Klarheit für die Apotheken schaffen und das Instrument der Rabattverträge weiterentwickeln zu wollen. Für seine Krankenkasse sollten diese zu einem versorgungssichernden Instrument werden. „Bei den Generika haben wir einen Lernprozess durchlaufen“, so Breddemann. „Wir wiederholen bei den Biosimilars nicht 1:1 dieselbe Geschichte und machen nicht dieselben Fehler nochmal.“

Das wollte Christopher Kirsch nicht gelten lassen. Für ihn könne es keinen vorsichtigen Weg geben. Selbst wenn eine Kasse mit Augenmaß vorgehe und bloß über einen Wirkstoff Rabattverträge abschließe, ziehe mit Sicherheit eine andere nach. Kirsch: „Und schon sind wir im Bann dieser Entwicklung und können nicht mehr gegensteuern. Der Beschluss des G‑BA ist eine „Krankschreibung für ein gesundes System“. Das Gesundheitsministerium darf ihn auf keinen Fall durchwinken und muss die unklaren Punkte beanstanden.“

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Eine Zusammenfassung des 2. Panels (20 Minuten) finden Sie hier.

29.06.2023