Biosimilar-Markt im Umbruch: Wie lange hält der Aufwärtstrend?
Auf dem Symposium der AG Pro Biosimilars ging es um die Entwicklung der Biosimilars in Deutschland. Unter der Fragestellung „Wie kommen mehr Biosimilars in die Versorgung?“ fand ein reger Austausch über die Relevanz von Aufklärung und Kommunikation statt. Spannende Einblicke in die Industriepolitik ergab das Gespräch über den Biosimilar-Produktionsstandort Europa.
Bork Bretthauer, Geschäftsführer von Pro Generika e.V., begrüßte die Teilnehmenden mit einem kurzen Blick auf die bisherige Erfolgsgeschichte der Biosimilars. Er eröffnete das Symposium mit einem Film, der eindrucksvoll am Beispiel einer langjährigen Rheumapatientin zeigte, wie sehr biologische Medikamente den Patienten helfen trotz ihrer schweren Krankheit ein normales Leben zu führen und wie wichtig das vertrauensvolle Gespräch mit der behandelnden Ärztin oder Arzt bei einer Umstellung von einem Originalpräparat auf ein Biosimilar ist.
Biosimilar statt Original: So erlebte eine Rheuma-Patientin den Wechsel
Das erste Panel stand unter Titel „Wie kommen Biosimilars noch schneller in die Versorgung – Aufklärung und Kommunikation“.
Der Onkologe Dr. Friedrich Overkamp veranschaulichte in seinem Vortrag, wie unentbehrlich eine fachliche, vor allem aber auch emotionale Kommunikation mit der Patient:in bei der Umstellung auf ein Biosimilar ist. Gerade hier bestehe bei vielen seiner Kolleg:innen noch Nachholbedarf.
Frau Dr. Larissa Weichenberger (KV Bayern) zeigte auf, wieviel Aufklärung zu Biosimilars seitens der Kassenärztlichen Vereinigung betrieben wird.
Aufklärung
Kommunikation
Vertrauen
Die Rheumatologin Dr. Silke Zinke beschrieb ihre Erfahrungen bezüglich der Umstellung ihrer Patient:innen von einem Originalprodukt auf ein Biosimilar und ging auf das Phänomen des Nocebo-Effektes – also das Nichtansprechen einer wirksamen Medikation bei ungenügender Kommunikation mit dem Patienten – ein. Ihrer Einschätzung nach sei es unabdingbar, dass in der Arztpraxis (und nicht in der Apotheke) über die absolute Gleichwertigkeit der Biosimilars gegenüber dem Original aufgeklärt wird. Denn Menschen mit schweren und schmerzhaften Krankheiten wie Rheuma reagierten erwartungsgemäß sehr emotional bei Änderungen in ihrer Medikation.
Die Patientensicht brachte Ludwig Hammel (Geschäftsführer Deutsche Vereinigung Morbus Bechterew) in die Diskussion ein. Er sprach sich ebenfalls gegen eine automatische Substitution in der Apotheke aus. Eindrücklich zeigte er den Leidensweg eines Rheumatikers und die Angst der Patient:innen vor einer Umstellung einer bislang erfolgreichen Medikation. Sein Appell an Kassenärztliche Vereinigungen, Hersteller und Kassen: die Patient:innen zu informieren und aufzuklären!
In der anschließenden Diskussion wurde die Forderung geäußert, die zeitaufwendigen ärztlichen Aufklärungsgespräche zu honorieren. Sollte in drei Jahren eine automatische Substitution in der tatsächlich Apotheke stattfinden, würden zudem aufkommende Probleme durch die Verunsicherung der Patient:innen wieder in die ärtzliche Praxis getragen.
Das zweite Panel eröffnete Prof. Wolf-Dieter Ludwig (Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft) mit einem Impulsvortrag, in dem er sich klar gegen eine automatische Substitution von Biosimilars in der Apotheke aussprach, wie sie im GSAV ab 2022 geplant ist. Er unterstrich, dass Biosimilars therapeutisch absolut gleichwertig zum Referenzarzneimittel seien – auch in extrapolierten Indikationen, wie zahlreiche Studien zur Austauschbarkeit bewiesen. Die im GSAV geplante automatische Substitution sieht Ludwig insbesondere auch problematisch im Zusammenhang mit dem gewachsenen Vertrauen in Biosimilars.
Bei einer automatischen Substitution in der Apotheke würden die damit verbundenen zahlreichen Risiken den großen Erfolg der Biosimilars ruinieren. In der anschließenden Diskussion mit Peter Stenico (Head Specialty, Sandoz Deutschland/Hexal AG) , Dr. Carina Mohn (Abteilung Arzneimittel, G‑BA) und Dr. Goentje-Gesine Schoch (Leiterin Arzneimittelverordnungssteuerung, TK) wurde dann die Frage aufgeworfen, warum der Gesetzgeber schon so früh die automatische Substitution einführen will. Dr. Mohn verwies auf die Einsparpotenziale der Biosimilars und Dr. Schoch warf die Frage auf, warum Apotheker:innen nicht auch beraten können sollten. Peter Stenico unterstrich die enormen bisherigen Erfolge der Biosimilars und fügte hinzu, dass in drei Jahren voraussichtlich eine so starke Marktdurchdringung stattgefunden hat, dass eine automatische Substitution möglicherweise nicht mehr nötig wäre.
Am Nachmittag startete Christoph Stoller (General Manager Teva D/A) mit seinem Impuls-Vortrag: Biosimilar-Industrie: Wie robust ist der Standort EU? das dritte Panel. Am Beispiel von Adalimumab zeigte er die Erfolgsgeschichte der Biosimilars. Dabei mahnte er, den funktionierenden Biosimilar-Markt nicht durch eine automatische Substitution in der Apotheke zu gefährden. Stoller betonte, dass der arztgestützte Austausch von Biopharmazeutika in Europa gängige Praxis ist. In keinem der Märkte der „großen Fünf“ in Europa wird eine automatische Substitution auf Apothekenebene angewendet. Sein Fazit: Nur bei stabilen Rahmenbedingungen können Unternehmen in den Standort Europa investieren und damit einen funktionierenden Wettbewerb ermöglichen.
Dr. Morris Hosseini (Senior Partner Roland Berger GmbH) zeigte am Beispiel der Antibiotika, dass durch langjährigen Kostendruck mittlerweile 80 Prozent der Wirkstoffe in Asien produziert werden und diese Abhängigkeit Lieferengpässe nach sich ziehen könne.
Dr. Thorsten Pisch von der AG Pro Biosimilars resümierte in seinem Schlusswort, dass der Erfolg der Biosimilars kein Selbstläufer ist und richtete einen Appell an die Politik, ihrer Verantwortung mit Augenmaß zu begegnen und dafür einzutreten, dass die Rahmenbedingungen für einen gut funktionierenden Markt erhalten bleiben.
10.09.2019