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Pharmaverbände: Automatische Substitution gefährdet den Biotech-Standort

Die automatische Substitution von Biopharmazeutika ist aus Sicht von BAH, BPI, der AG Pro Biosimilars und vfa gefährlich. Das bekräftigen die Verbände der pharmazeutischen Industrie anlässlich der heutigen Befassung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G‑BA) mit der im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) verankerten Regelung. Sie warnen vor den negativen Folgen für den derzeit noch robusten Biotech-Produktionsstandort Europa und für die Versorgungssicherheit. Die Politik dürfe nicht den gleichen Fehler wie bei den Generika machen und durch ungehemmte Kostendämpfung im GKV-System die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Hersteller gefährden. Der funktionierende Biopharmazeutika-Standort Deutschland und Europa müsse vielmehr gesichert werden.  

Es gibt viele gute Gründe gegen die Substitution von Biopharmazeutika. Weil parenteral zu applizierende Arzneimittel in der Regel besonders sensiblen Patientengruppen mit chronischen und onkologischen Erkrankungen verordnet werden, muss die Patientensicherheit grundsätzlich an erster Stelle stehen. Es gibt jedoch auch mit Blick auf eine stabile GKV-Finanzierung keinen Grund zum automatischen Austausch: Der Biosimilar-Markt funktioniert, der Wettbewerb ist im vollen Gange. Nicht nur erreichen die meisten Nachahmerprodukte Verordnungsquoten von 70 bis gar über 90 Prozent. Mit 2021 gesetzlich verankerten Hinweisen zur wirtschaftlichen Verordnung von Biopharmazeutika für Ärztinnen und Ärzte ist bereits hinreichend dafür gesorgt, dass Biopharmazeutika wirtschaftlich verordnet und sicher angewendet werden. 

Dennoch wurde der G‑BA im GKV-FinStG beauftragt, zunächst Hinweise zur automatischen Substitution (auf Ebene der Apotheken) bei parenteralen Biopharmazeutika-Zubereitungen zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bis zum Sommer dieses Jahres zu erarbeiten. Dabei wirkt bereits die Dynamik der Hilfstaxe kostendämpfend, denn seit dem 1. September 2022 müssen Biosimilar-Unternehmen den Krankenkassen für Biosimilars, die in parenteralen Zubereitungen verwendet werden, bis zu fast 68 Prozent Rabatt gewähren. Daraus ergeben sich hochgerechnet Einsparungen von mehr als 500 Millionen Euro pro Jahr, die durch Biosimilars aufgrund dieser neuen Regelung allein im niedergelassenen Bereich erreicht werden. Diese Instrumente heben umfassend das Einsparpotenzial der Biopharmazeutika.

Eine doppelte Steuerung durch eine automatische Substitution in der Apotheke, infolgedessen die Krankenkassen mit einzelnen Herstellern exklusive Rabattverträge abschließen und so noch höhere Preisnachlässe erwirken können sollen, ist überflüssig und birgt die Gefahr eines ruinösen Wettbewerbs, der bereits bei Generika zur Abwanderung der Produktion und Lieferengpässen geführt hat.

Die Verbände fordern daher den Gesetzgeber dazu auf, im Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) eine Streichung des Auftrages an den G‑BA vorzunehmen oder zumindest klarzustellen, dass es nach diesem Schritt mit den Hinweisen für den Austausch von parenteralen Biopharmazeutika-Zubereitungen zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung zu keinen weiteren Schritten in Richtung einer vollumfänglichen automatischen Substitution in der Apotheke kommt. 

Hintergrund: Mit dem im November 2022 in Kraft getretenen GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) wurde der Regelungsauftrag zur automatischen Substitution an den G‑BA konkretisiert: Hiernach sollen Apotheken verpflichtet sein, verordnete biotechnologisch hergestellte Arzneimittel (Biopharmazeutika) auszutauschen, wenn es sich um parenterale Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patient:innen handelt.

15.06.2023